• Rechtsgebiet:
  • Haftpflichtversicherung
  • Verkehrsunfall

130%-Grenze, Haftung, Haftpflicht, Schadenersatz, Integritätsinteresse, Kfz-Haftplicht, Reparaturkostenersatz, fiktive Abrechnung, Entschädigung, Unikat, Allgemeine Bedingungen für die Kfz-Versicherung AKB 2008

BGH Urteil vom 02.03.2010, Az.: IV ZR 144/09 Zur Frage, ob bei der fiktiven Schadensabrechnung eines als "Unikat" anzusehenden Kraftfahrzeugs ein über den Wiederbeschaffungswert hinaus gehender Schadensbetrag abgerechnet werden kann.

02.04.2010

Mit dem vorliegenden Urteil ergänzt der VI. Zivilsenat, der u.a. für das Kfz-Haftpflichtrecht zuständig ist, die Rechtsprechung zur sogenannten 130% - Grenze weiter.
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte zuletzt mit Beschluss vom 18.11.2008 – Az.: VI ZB 22/08 die Frage geklärt ob der Anspruch auf Reparaturkostenentschädigung bis zu 30% über den Wiederbeschaffungswert hinaus zur Voraussetzung habe, dass das vollständig und fachgerecht reparierte Fahrzeug anschließend über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten vom Geschädigten selbst genutzt werde, der Versicherer also erst nach Ablauf die-ser Frist zu leisten habe. Diese Frage hatte der Senat dahin entschieden, dass die Fälligkeit des Entschädigungsanspruchs in der Regel nicht auf den Ablauf eines an den Abschluss der vollständigen und fachgerechten Reparatur anschließenden Zeitraums von mindestens sechs Monaten geknüpft ist.
Mit dem nun vorliegenden Urteil vom 02.03.2010, fügt der Senat dem Lehrgebäude zur 130% - Grenze einen weiteren Baustein hinzu.
Auch wenn man Eigentümer eines Unikates bzw. Gesamtkunstwerkes ist, im konkreten Fall eines selbst gestalteten Wartburg 353 W, gelten die Lehren zur 130% - Grenze. Reparatur-kosten über die Grenze von 30% über den Wiederbeschaffungswert hinaus gibt es nicht! Auch nicht für Gesamtkunstwerk, das vom Eigentümer individuell gestaltet worden ist und für das vergleichbare Ersatzfahrzeuge am Markt nicht zu erwerben sind. Es ist allerdings insoweit natürlich Sache des Geschädigten höhere Marktpreise vorzutragen und nachzuweisen, worauf der Senat ausdrücklich hinweist:  „Darüber hinaus gehende Marktpreise, die etwa durch die Eigenschaft des Fahrzeugtyps als Oldtimer geprägt sind und auf Spezialmärkten für Oldtimer erzielt werden, vermag die Revision nicht aufzuzeigen“.
Reparaturkosten bis zu besagter Grenze gibt es nur, wenn konkret abgerechnet wird, wenn also die Reparatur tatsächlich fachgerecht und in dem von dem Sachverständigen für erfor-derlich erachteten Umfang erfolgt ist, wobei die Verwendung von Gebrauchtteilen unschäd-lich ist.
Der Senat hat also Frage, ob für ein „Unikat“ ein über den Wiederbeschaffungswert hinausge-hender an Reparaturkosten orientierter fiktiv berechneter Schadensersatz beansprucht werden kann  unter erneutem Verweis auf die Grundsätze der Urteile vom 15.02.2005  VI ZR 70/04 und VI ZR 172/04  verneint.

Der Senat:

„Gemäß § 249 Abs. 1 BGB hat der zum Schadensersatz Verpflichtete den Zustand herzustel-len, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Ist wegen der Verletzung einer Person oder der Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Geschädigte gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Für die Berechnung von Fahrzeugschäden stehen dem Geschädigten regelmäßig zwei Wege der Naturalrestitution zur Verfügung: Reparatur des Unfallfahrzeugs oder Anschaffung eines gleichwertigen Ersatzfahrzeugs (vgl. Senat BGHZ 154, 395, 397 f.; 162, 161, 165; 181, 242 ff., = VersR 2009, 1092 Rn. 13, jeweils m.w.N.).
Das gilt aber nur, wenn eine Wiederherstellung des beschädigten Fahrzeugs im Rechtssinne möglich ist. Dies ergibt sich aus § 251 Abs. 1 BGB (vgl. dazu Senatsurteile BGHZ 102, 322 ff. und vom 9. Dezember 2008 - VI ZR 173/07 - VersR 2009, 408 f.; BGH, Urteil vom 22. Mai 1985 - VIII ZR 220/84 - NJW 1985, 2413 ff.). Dessen Voraussetzungen könnten allerdings wie das Berufungsgericht annimmt, vorliegen. Immerhin hat der Kläger nach den Feststellungen des Berufungsgerichts vorgetragen, dass es sich bei seinem beschädigten Fahrzeug um ein Unikat und damit Gesamtkunstwerk handele, und dass auch ein vergleichbares Fahrzeug im Hinblick auf die vom Kläger individuell vorgenommenen Veränderungen nicht zu erwerben ist.
Letztlich kann die Frage, ob § 251 Abs. 1 BGB im Streitfall Anwendung findet, aber dahinste-hen. Denn der dem Kläger zustehende Schadensersatzanspruch ist unabhängig davon auf die Höhe des Wiederbeschaffungswerts beschränkt, ob eine Wiederherstellung möglich ist oder nicht. Ist eine Wiederherstellung im Rechtssinne möglich, so kann der Kläger nach der stän-digen Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. z.B. BGHZ 162, 161, 167 f.) nur den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs verlangen, weil er fiktiv abrechnet und die Kosten für eine Reparatur des Fahrzeugs fast doppelt so hoch sind wie der Wiederbeschaffungswert. Ersatz von Reparaturkosten - bis zu 30% über dem Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs - können nur verlangt werden, wenn die Reparatur fachgerecht und in einem Umfang ausgeführt wird, wie ihn der Sachverständige zur Grundlage seiner Schätzung gemacht hat (vgl. Senatsurteil BGHZ 162, 161, 169). Ist die Wiederherstellung unmöglich, besteht der Anspruch des Klägers auf Geldentschädigung gleichfalls nur in Höhe des Wiederbeschaffungswerts. Der Wiederbeschaffungswert ist bei Kraftfahrzeugen in Fällen der vorliegenden Art sowohl hinsichtlich der Restitution als auch hinsichtlich der Kompensation ein geeigneter Maßstab für die zu leistende Entschädigung.“

§ 249 Art und Umfang des Schadensersatzes

(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.
(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbet-rag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.

§ 251 Schadensersatz in Geld ohne Fristsetzung

(1) Soweit die Herstellung nicht möglich oder zur Entschädigung des Gläubigers nicht genü-gend ist, hat der Ersatzpflichtige den Gläubiger in Geld zu entschädigen.
(2) Der Ersatzpflichtige kann den Gläubiger in Geld entschädigen, wenn die Herstellung nur mit unverhältnismäßigen Aufwendungen möglich ist. Die aus der Heilbehandlung eines ver-letzten Tieres entstandenen Aufwendungen sind nicht bereits dann unverhältnismäßig, wenn sie dessen Wert erheblich übersteigen.

Allgemeine Bedingungen für die Kfz-Versicherung

AKB 2008 Musterbedingungen (GDV)

A.1 Kfz-Haftpflichtversicherung –
für Schäden, die Sie mit Ihrem Fahrzeug Anderen zufügen

A.1.1 Was ist versichert?

Sie haben mit Ihrem Fahrzeug einen Anderen geschädigt
A.1.1.1 Wir stellen Sie von Schadenersatzansprüchen frei, wenn durch den Gebrauch des Fahrzeugs
a Personen verletzt oder getötet werden,
b Sachen beschädigt oder zerstört werden oder abhanden kommen,
c Vermögensschäden verursacht werden, die weder mit einem Personen- noch mit einem
Sachschaden mittelbar oder unmittelbar zusammenhängen (reine Vermögensschäden),
und deswegen gegen Sie oder uns Schadenersatzansprüche aufgrund von Haftpflichtbe-stimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder des Straßenverkehrsgesetzes oder aufgrund
anderer gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen des Privatrechts geltend gemacht werden.
Zum Gebrauch des Fahrzeugs gehört neben dem Fahren z.B. das Ein- und Aussteigen
sowie das Be- und Entladen.