• Rechtsgebiet:
  • Versicherungsrecht
  • Haftpflichtversicherung

Ende der Verjährungshemmung durch Verhandlungen gem. § 203 Satz 1 BGB bei dem Einschlafen der Verhandlungen

BGH, Urteil vom 6. November 2008 - IX ZR 158/07: Eine Hemmung der Verjährung durch Aufnahme von Verhandlungen endet auch dann, wenn die Verhandlungen der Parteien "einschlafen"; die von der Rechtsprechung zu § 852 Abs. 2 BGB a.F. entwickelten Grundsätze sind auf das neue Verjährungsrecht zu übertragen.

29.11.2008

Verjährungsfristen werden gem. § 203 BGB gehemmt, solange zwischen Schuldner und Gläubiger Verhandlungen wegen einer Verbindlichkeit, bzw. Forderung geführt werden.
§ 203 BGB Hemmung der Verjährung bei Verhandlungen
Schweben zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände, so ist die Verjährung gehemmt, bis der eine oder der andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert. Die Verjährung tritt frühestens drei Monate nach dem Ende der Hemmung ein.

§ 209 BGB Wirkung der Hemmung
Der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, wird in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet.

Es verhält sich also so, dass bei der Berechnung der Verjährungsfrist mit Eintritt des Hemmungstat-bestandes praktisch die „Uhr angehalten“ wird. Die Uhr wird erst wieder in Gang gesetzt, d.h. die Verjährungsfrist läuft erst weiter bis zum Ablauf oder zum Eintritt einer erneuten Hemmung, wenn die Verhandlungen durch Verweigerung der Fortsetzung beendet sind.

Nun kommt es häufig vor, dass die Beteiligten eines Schuldverhältnisses, also Gläubiger und Schuldner selbst oder durch Dritte vertreten über das Schuldverhältnis verhandeln, sei es über den Anspruchsgrund, sei es über die Anspruchshöhe, dass eine Zeit lang heftig korrespondiert wird, nach gewisser Zeit der Eifer erlahmt und die Sache dann „einschläft“, ohne dass die eine oder andere Partei die Verhandlungen für gescheitert oder beendet erklärt hat, bis nach Jahr und Tag der Gläubiger die Sache wieder aufgreift und seinen Anspruch erneut, womöglich sogar gerichtlich geltend macht. Es fragt sich dann nicht selten ob der Anspruch zwischenzeitlich verjährt ist oder nicht, also die durch Verhandlungen der Parteien begründete Hemmung irgendwann geendet hat oder nicht, und falls ja, wann?

Nach dem bis zum Ablauf des 31.12.2001 geltenden Verjährungsrecht des BGB war anerkannt, dass auch das „Einschlafen lassen“ von Verhandlungen zu einem Ende der Hemmung der Verjährung durch schwebende Verhandlungen führen konnte, BGH NJW 81, 1615.
Für das Recht der Verjährung nach in Kraft treten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes war diese Frage bis jetzt höchstrichterlich noch nicht geklärt. Die höchstrichterliche Klärung dieser Rechtsfrage ist zwischenzeitlich durch BGH Urteil vom 6. November 2008 - IX ZR 158/07 erfolgt.
Werden begonnene Verhandlung nicht weitergeführt, und ergibt sich aus den Umständen nichts Gegenteiliges, ist es der Verweigerung der Fortsetzung der Verhandlungen  gleichzusetzen, wenn seit dem Schluss der letzten Gespräche oder Kontakte drei Monate vergangen sind. Von diesem Zeitpunkt ab läuft die Dreimonatsfrist des § 203 Satz 2 BGB, so dass die Hemmung des Laufs der Verjährungsfrist sechs Monate nach dem letzten Kontakt endet. Aus den Umständen kann sich ergeben, dass die „Einschlafphase“ auch kürzer sein kann, insbesondere dann, wenn eine Partei unter Fristsetzung zur Wiederaufnahme der Verhandlungen aufgefordert wird und die Frist folgenlos verstreicht.

Für das Versicherungsvertragsrecht hat der Gesetzgeber des am 01.01. diesen Jahres in Kraft getretenen neuen Versicherungsvertragsgesetzes (VVG n.F.) in der halbzwingenden Vorschrift des § 15 VVG n.F. geklärt, dass die Hemmung erst endet, wenn der Versicherer über den geltend gemachten Anspruch auf Versicherungsleistung entschieden hat und diese Entscheidung dem Versicherungsnehmer in Textform zugegangen ist.

§ 15 VVG Hemmung der Verjährung
Ist ein Anspruch aus dem Versicherungsvertrag beim Versicherer angemeldet worden, ist die Verjährung bis zu dem Zeitpunkt gehemmt, zu dem die Entscheidung des Versicherers dem Anspruchsteller in Textform zugeht.

Diese Bestimmung ist gem. § 18 VVG n.F. halbzwingend, das heißt es kann von ihr weder durch AGB noch durch Individualvereinbarung zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden, es sei denn die Voraussetzungen des § 210 VVG n.F. Art. 10 Abs. 1 Satz 2 EGVVG – Großrisiko – liegen vor.

Für den Bereich der Kfz-Haftpflichtversicherung enthält § 115 VVG n.F. für den Direktanspruch des Geschädigten gegen den Kfz-Haftpflichtversicherer eine entsprechende Bestimmung, welcher die Hemmungswirkung sogar auf Dritte ( den Kfz-Halter und sonstige Versicherte, BGH VersR 1975, 271) erstreckt.

§ 115 VVG  Direktanspruch
(1) Der Dritte kann seinen Anspruch auf Schadensersatz auch gegen den Versicherer geltend machen,

1.
wenn es sich um eine Haftpflichtversicherung zur Erfüllung einer nach dem Pflichtversicherungsgesetz bestehenden Versicherungspflicht handelt oder
2.
wenn über das Vermögen des Versicherungsnehmers das Insolvenzverfahren eröffnet oder der Eröffnungsantrag mangels Masse abgewiesen worden ist oder ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt worden ist oder
3.
wenn der Aufenthalt des Versicherungsnehmers unbekannt ist.
Der Anspruch besteht im Rahmen der Leistungspflicht des Versicherers aus dem Versicherungsverhältnis und, soweit eine Leistungspflicht nicht besteht, im Rahmen des § 117 Abs. 1 bis 4. Der Versicherer hat den Schadensersatz in Geld zu leisten. Der Versicherer und der ersatzpflichtige Versicherungsnehmer haften als Gesamtschuldner.
(2) Der Anspruch nach Absatz 1 unterliegt der gleichen Verjährung wie der Schadensersatzanspruch gegen den ersatzpflichtigen Versicherungsnehmer. Die Verjährung beginnt mit dem Zeitpunkt, zu dem die Verjährung des Schadensersatzanspruchs gegen den ersatzpflichtigen Versicherungsnehmer beginnt; sie endet jedoch spätestens nach zehn Jahren von dem Eintritt des Schadens an. Ist der Anspruch des Dritten bei dem Versicherer angemeldet worden, ist die Verjährung bis zu dem Zeitpunkt gehemmt, zu dem die Entscheidung des Versicherers dem Anspruchsteller in Textform zugeht. Die Hemmung, die Ablaufhemmung und der Neubeginn der Verjährung des Anspruchs gegen den Versicherer wirken auch gegenüber dem ersatzpflichtigen Versicherungsnehmer und umgekehrt.


§ 203 BGB wird für das Transportrecht von der vorrangigen Spezialnorm des § 439 Abs. 3 HGB (Handelsgesetzbuch) verdrängt, der die Möglichkeit wiederholter Hemmung der Verjährung durch Verhandlungen nach einer schriftlichen Ablehnung des Anspruchs durch den Frachtführer ausschließt.

§ 439 HGB Verjährung
(1) Ansprüche aus einer Beförderung, die den Vorschriften dieses Unterabschnitts unterliegt, verjähren in einem Jahr. Bei Vorsatz oder bei einem dem Vorsatz nach § 435 gleichstehenden Verschulden beträgt die Verjährungsfrist drei Jahre.
(2) Die Verjährung beginnt mit Ablauf des Tages, an dem das Gut abgeliefert wurde. Ist das Gut nicht abgeliefert worden, beginnt die Verjährung mit dem Ablauf des Tages, an dem das Gut hätte abgeliefert werden müssen. Abweichend von den Sätzen 1 und 2 beginnt die Verjährung von Rückgriffsansprüchen mit dem Tag des Eintritts der Rechtskraft des Urteils gegen den Rückgriffsgläubiger oder, wenn kein rechtskräftiges Urteil vorliegt, mit dem Tag, an dem der Rückgriffsgläubiger den Anspruch befriedigt hat, es sei denn, der Rückgriffsschuldner wurde nicht innerhalb von drei Monaten, nachdem der Rückgriffsgläubiger Kenntnis von dem Schaden und der Person des Rückgriffsschuldners erlangt hat, über diesen Schaden unterrichtet.
(3) Die Verjährung eines Anspruchs gegen den Frachtführer wird durch eine schriftliche Erklärung des Absenders oder Empfängers, mit der dieser Ersatzansprüche erhebt, bis zu dem Zeitpunkt gehemmt, in dem der Frachtführer die Erfüllung des Anspruchs schriftlich ablehnt. Eine weitere Erklärung, die denselben Ersatzanspruch zum Gegenstand hat, hemmt die Verjährung nicht erneut.
(4) Die Verjährung kann nur durch Vereinbarung, die im einzelnen ausgehandelt ist, auch wenn sie für eine Mehrzahl von gleichartigen Verträgen zwischen denselben Vertragsparteien getroffen ist, erleichtert oder erschwert werden.