• Rechtsgebiet:
  • Verkehrsunfall

Zu den Voraussetzungen für den Ersatz von Reparaturaufwand bis zu 30 % über dem Wiederbeschaffungswert.

BGH Urteil vom 15.11.2011, Az.: IV ZR 30/11 130%-Grenze, Haftung, Haftpflicht, Schadenersatz, Integritätsinteresse, Kfz-Haftplicht, Reparaturkostenersatz, fiktive Abrechnung, Entschädigung, Allgemeine Bedingungen für die Kfz-Versicherung AKB 2008

06.12.2011

Nachdem der Senat mit Urteil vom 08.02.2011, Az.: VI ZR 79/10 entschieden hat, unter welchen Voraussetzungen ein Geschädigter Anspruch auf Erstattung von Reparaturkosten
geltend machen kann, wenn der Sachverständige die Reparaturkosten auf mehr als 130% des Wiederbeschaffungswertes geschätzt hat, der Geschädigte aber behauptet und beweist, eine fachgerechte und den Vorgaben des Gutachtens entsprechende Reparatur durchge-führt, zu haben deren Kosten den Wiederbeschaffungswert deshalb nicht übersteigen, weil es ihm gelungen sei, einen Rabatt auf die Reparaturkosten auszuhandeln, wendet sich der Senat der Klärung der Frage zu, was denn genau unter vollständiger und fachgerechter Reparatur zu verstehen sei. Er lässt den Restitutionsanspruch eines Kfz-Mechanikers, der das Fahrzeug in Eigenleistung und unter Verwendung verbilligt von seinem Arbeitgeber bezogener Ersatzteile instand gesetzt hatte daran Scheitern, dass die Wiederherstellung deshalb nicht als fachgerecht und vollständig angesehen werden könne, weil eine ganz banale Delle hinter der Stoßfängerverkleidung verblieben, die Heckverkleidung nicht richtig eingepasst und der hintere Querträger nicht ausgetauscht sondern, nur, wie man annehmen darf verkehrssicher, instandgesetzt sei.

Der Senat:

„Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats kann der Ersatz des Reparaturaufwands bis zu 30 % über dem Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs nur verlangt werden, wenn die Reparatur fachgerecht und in einem Umfang durchgeführt wird, wie ihn der Sachver-ständige zur Grundlage seiner Kostenschätzung gemacht hat (Senatsurteile vom 15. Februar 2005 - VI ZR 70/04, BGHZ 162, 161, 167 ff.; vom 10. Juli 2007 - VI ZR 258/06, VersR 2007, 1244 Rn. 7).
Inzwischen hat der Senat entschieden, dass jedenfalls in dem Fall, in dem zwar die vom Sachverständigen geschätzten Reparaturkosten über der 130 %-Grenze liegen, es dem Geschädigten aber - auch unter Verwendung von Gebrauchtteilen - gelungen ist, eine nach Auf-fassung des sachverständig beratenen Berufungsgerichts fachgerechte und den Vorgaben des Gutachtens entsprechende Reparatur durchzuführen, deren Kosten den Wiederbeschaffungswert nicht übersteigen, dem Geschädigten aus dem Gesichtspunkt des Wirtschaftlichkeitsgebots eine Abrechnung der konkret angefallenen Reparaturkosten nicht verwehrt werden kann (Senatsurteil vom 14. Dezember 2010 - VI ZR 231/09, VersR 2011, 282 Rn. 13). Der Senat hat ferner entschieden, dass der Geschädigte, der sein beschädigtes Kraftfahrzeug instand gesetzt hat, obwohl ein Sachverständiger die voraussichtlichen Kosten der Reparatur auf einen den Wiederbeschaffungswert um mehr als 30 % übersteigenden Betrag geschätzt hat, den Ersatz von Reparaturkosten nur dann verlangen kann, wenn er nachweist, dass die tatsächlich durchgeführte Reparatur, sofern diese fachgerecht und den Vorgaben des Gutachtens entsprechend ausgeführt worden ist, wirtschaftlich nicht unvernünftig war, was der tatrichterlichen Beurteilung (§ 287 ZPO) unterliegt (Senatsurteil vom 8. Februar 2011 - VI ZR 79/10, VersR 2011, 547 Rn. 8).
Danach ist regelmäßig die Erstattung von Reparaturkosten über dem Wiederbeschaffungswert nicht gerechtfertigt, wenn der Geschädigte sein Kraftfahrzeug nicht vollständig und fachgerecht nach den Vorgaben des Sachverständigen in Stand setzt (vgl. Senatsurteile vom 15. Februar 2005 - VI ZR 70/04, BGHZ 162, 161, 168; vom 10. Juli 2007 - VI ZR 258/06, aaO Rn. 8).
So liegt es im Streitfall. Das Berufungsgericht geht selbst davon aus, dass die vom Kläger durchgeführte Reparatur von den Vorgaben des Gutachtens abweicht. Der hintere Querträger wurde nicht ausgetauscht, sondern in stand gesetzt, hinter der Stoßfängerverkleidung verblieb eine Delle und die Heckstoßfängerverkleidung wurde nicht richtig eingepasst.
Bei dieser Sachlage kann ein Anspruch auf Ersatz der über dem Wiederbeschaffungswert liegenden Reparaturkosten nicht bejaht werden.“


Daraus ist der Schluss zu ziehen, dass eine fachgerechte und vollständige Reparatur nach Auffassung des Senats nur dann vorliegt, wenn die Reparatur völlig frei von technischen und optischen Mängeln 1:1 nach den Vorgaben des Sachverständigen  ausgeführt ist. Dieser wird aber in der Mehrzahl der Fälle im Rahmen des sogenannten Schadensmanagements von dem Haftpflichtversicherer des Geschädigten bestellt und bezahlt.

Für den Geschädigten und dessen Berater ist es daher geboten, die Vorgaben dieser Sachverständigen kritisch und vor allem fachkundig zu hinterfragen oder sich von vornherein eines eigenen Sachverständigen zu bedienen. Denn die Vorgaben dieses Sachverständigen entscheiden letztlich, welchen Grad der Vollkommenheit eine vollständige und fachgerechte Reparatur zu erreichen hat.


§ 249 Art und Umfang des Schadensersatzes

(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.
(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbet-rag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.

§ 251 Schadensersatz in Geld ohne Fristsetzung

(1) Soweit die Herstellung nicht möglich oder zur Entschädigung des Gläubigers nicht genügend ist, hat der Ersatzpflichtige den Gläubiger in Geld zu entschädigen.
(2) Der Ersatzpflichtige kann den Gläubiger in Geld entschädigen, wenn die Herstellung nur mit unverhältnismäßigen Aufwendungen möglich ist. Die aus der Heilbehandlung eines verletzten Tieres entstandenen Aufwendungen sind nicht bereits dann unverhältnismäßig, wenn sie dessen Wert erheblich übersteigen.

Allgemeine Bedingungen für die Kfz-Versicherung

AKB 2008  (Musterbedingungen GDV)

A.1 Kfz-Haftpflichtversicherung –    
für Schäden, die Sie mit Ihrem Fahrzeug Anderen zufügen

A.1.1 Was ist versichert?

Sie haben mit Ihrem Fahrzeug einen Anderen geschädigt
A.1.1.1 Wir stellen Sie von Schadenersatzansprüchen frei, wenn durch den Gebrauch des Fahrzeugs
a Personen verletzt oder getötet werden,
b Sachen beschädigt oder zerstört werden oder abhanden kommen,
c Vermögensschäden verursacht werden, die weder mit einem Personen- noch mit einem Sachschaden mittelbar oder unmittelbar zusammenhängen (reine Vermögensschäden),
und deswegen gegen Sie oder uns Schadenersatzansprüche aufgrund von Haftpflichtbestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder des Straßenverkehrsgesetzes oder aufgrund anderer gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen des Privatrechts geltend gemacht werden.
Zum Gebrauch des Fahrzeugs gehört neben dem Fahren z.B. das Ein- und Aussteigen sowie das Be- und Entladen.