• Rechtsgebiet:
  • Unfallversicherung
  • Versicherungsrecht

Ertrinken, Unfallversicherung, Ertrinkungstod, Badewannentod, Badetod, Beweislast, Versicherungsrecht, Urteil OLG Stuttgart v. 27.06.2006, Az.: 7 U 208/05, zum Anspruch auf Todesfallleistung bei Ertrinken in der Badewanne

Bei der Prüfung der Unfallvoraussetzungen kommt es ausschließlich auf dasjenige Ereignis an, das die Schädigung unmittelbar ausgelöst hat. Danach ist der Tod durch Ertrinken regelmäßig ein Unfalltod. Ursachen die zum Ertrinken geführt haben, sind im Rahmen der Ausschlusstatbestände der §§ 3 Abs. 4 AUB 61 bzw. 2 I Nr. 1 AUB 94 zu prüfen (im Anschluss an BGH VersR 1977, 736).

22.08.2009

Der Versicherungsnehmer einer privaten Unfallversicherung war von seiner Lebensgefährtin tot in der Badewanne liegend aufgefunden worden. Das Oberlandesgericht Stuttgart hatte in der Berufung darüber zu entscheiden, ob die anspruchsberechtigte Lebensgefährtin wegen dieses Todesfalles die in dem Unfallversicherungsvertrag vereinbarte Todesfallleistung beanspruchen könne oder ob der beklagte Versicherer leistungsfrei geworden sei, weil der Unfalltod der versicherten Person infolge von Bewusstseinsstörungen eingetreten sei.
Das Landgericht hatte der Klägerin den Anspruch zugesprochen. Mit dem vorliegenden Berufungsurteil hat das Oberlandesgericht Stuttgart das Urteil des Landgerichts Stuttgart aufgehoben. Die Revision wurde nicht zugelassen. Das Urteil ist rechtskräftig, die gegen die Nichtzulassung der Revision eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof wurde von der Klägerin zurück genommen.
Das Urteil folgt hinsichtlich des Ertrinkungstodes der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ( Urteil v. 22.06.1977; IV ZR 128/75 ), nach der beim Tod durch Ertrinken immer ein Unfall vorliege, ohne dass es dabei auf die Ursache des Ertrinkens ankäme, weil das von außen auf den Körper wirkende Ereignis, das den Tod unmittelbar verursache, das Eindringen von Wasser in den Kehlkopf sei. Das ist gefestigte Rechtsprechung.
Bedeutsam ist diese Entscheidung dadurch, dass der Senat deutlich die Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast der Parteien im Prozess über die Versicherungsleistung aus einer privaten Unfallversicherung im Falle eines Ertrinkungstodes formuliert und ausführt, wie im Falle der Geltendmachung von Ansprüchen auf Versicherungsleistung bei einem behaupteten Ertrinkungstod die erforderlichen Beweis zu führen sind.
Es ist nach der Entscheidung Sache der Versicherungsnehmers alle  nach dem maßgeblichen Versi-cherungsvertrag erforderlichen Tatbestandsvoraussetzungen darzulegen und zu beweisen, wohingegen der Versicherer seinerseits die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen eines vereinbarten Leistungsausschlusses trägt. Auch das entspricht gefestigter Rechtsprechung.
Danach hat der Versicherungsnehmer konkret zu beweisen, dass Wasser in den Kehlkopf des Ertrunkenen eingedrungen ist und dass diese Einwirkung von außen den Tod verursacht hat. Das Gericht benennt bestimmte medizinische Beweisanzeichen – Schaumpilz vor dem Mund der geborgenen Leiche, deren Feststellung den Schluss auf den Tod durch Ertrinken dann zulässt, wenn medizinisch mögliche Alternativursachen für das Auftreten eines solchen Schaumpilzes - Intoxikation durch hochgradige Alkoholisierung, Erwürgen, Erdrosseln  - zuverlässig ausgeschlossen werden können.
Der Senat zeigt also exemplarisch auf, wo anzusetzen ist, um entweder Zweifel an einem Ertrinkungstod zu zerstreuen, um den Beweis zu führen, bzw. Zweifel hinsichtlich des Ertrinkungstodes zu säen, um den Beweis scheitern zu lassen.
Ist der Beweis geführt, ist es Sache des Versicherers darzulegen und zu beweisen, dass trotz des nunmehr nachgewiesenen Vorliegens eines Ertrinkungstodes ein Anspruch auf Versicherungsleistung nicht besteht, weil ein vertraglich vereinbarter Leistungsausschluss eingreift. Im vorliegenden Fall war das die Behauptung des Versicherers, der Unfall, also das Eindringen von Wasser in den Kehlkopf des Ertrunkenen beruhe seinerseits auf einem Ereignis, dass den Anspruch auf Leistung ausschließe, nämlich auf einer Bewusstseinsstörung, welche dem Eindringen des Wassers also vorausgegangen und daher dessen Ursache gewesen sei. Diese Behauptung, also das Vorausgehen einer Bewusstseinsstörung ist vom Versicherer zu beweisen. Dieser Beweis z.B. durch einen eindeutigen medizinischen Befund, z.B. einen Obduktionsbefund geführt werden, ebenso steht der Indizienbeweis zur Verfügung, insbesondere kann dieser Beweis auch im Wege des sogenannten Anscheinsbeweises geführt werden, also durch den Nachweis von Tatsachen, deren Vorliegen nach allgemeiner Lebenserfahrung den Schluss auf einen bestimmten Geschehensablauf zu lassen, wenn also z. B. bewiesen werden kann, dass der Ertrunkene in ruhigem´, normal temperiertem Wasser ohne äußere Einflüsse und ohne Abwehrkampf untergegangen ist. Auch kann dieser Beweis im Wege des Ausschlusses alternativer Ursachen geführt werden, also in der Form, dass alle möglichen Ursachen mit dem erforderlichen Beweismaß widerlegt werden, bis als Ursache nur eine dem Ertrinkungsvorgang vorausgegangene Ausschlusstatsache , hier also die Bewusstseinsstörung verbleibt.
Schließlich stellt der Senat die Anforderungen an das dabei zu beachtende Beweismaß klar. Der Nachweis des Vorliegens eines Ausschlusstatbestandes ist nicht erst dann als geführt anzusehen, wenn eine absolute, über jeden denkbaren Zweifel erhabene Gewissheit gewonnen werden kann, vielmehr genügt im Rahmen der nach § 286 ZPO vorzunehmenden Beweiswürdigung eine Gewissheit für die Überzeugungsbildung des Gerichts, die vernünftigen Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (BGHZ 53, 245, 256, ständige Rechtsprechung). Die Arbeit an der Überzeugungsbildung des Gerichts ist die Aufgabe der an der Prozessführung beteiligten Parteivertreter.

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