• Rechtsgebiet:
  • Versicherungsrecht
  • Rechtsschutzversicherung

Europäischer Gerichtshof stärkt das Recht der Versicherten auf freie Wahl des Rechtsanwalts in der Rechtsschutzversicherung.

EUGH, Urteil vom 07.11.2013 - C-442/12: Rechtsschutzversicherer dürfen keine Bedingungen verwenden, die die Übernahme der Kosten eines vom Versicherten frei gewählten Anwaltes von der Zustimmung des Rechtsschutzversicherers zur Mandatierung des gewählten Anwalts abhängig machen.

30.11.2013

Im Bereich der Rechtsschutzversicherung sind in den vergangenen Jahren erhebliche Anstrengungen der Versicherer im Bereich des sogenannten Schadensmanagements zu beobachten. Darunter ist ein Bündel von Maßnahmen zu verstehen, mit der die Versicherer versuchen die Senkung der Kostenbelastung der Versicherer zu erreichen, Maßnahmen die bis hin zur direkten Einflussnahme auf die inhaltliche Abwicklung des Rechtsschutzfalles reichen. So werden Modelle erprobt, in welchen der Zugang zu den öffentlichen Gerichten und frei gewählten Anwälten versperrt wird, solange nicht ein Verfahren der Zwangsmediation durchlaufen ist, oder es werden die Versicherungsleistungen oder die Prämien direkt oder indirekt davon abhängig gemacht, dass vom Rechtsschutzversicherer empfohlene Anwälte beauftragt werden. Solche empfohlenen Rechtsanwälte müssen sich in der Regel verpflichten, zu signifikant unter der gesetzlichen Vergütung liegenden Gebühren tätig zu werden. Gelegentlich ist fest zu stellen, dass Anwälte in Erscheinung treten, von denen bekannt ist, dass sie im Hauptberuf als Sachbearbeiter für eine Versicherung tätig sind. Welche Interessenkonflikte und wirtschaftlichen Zwänge dann in die Bearbeitung eines jeden Rechtsschutzfalles einfließen können, die mit den sonst allein maßgeblichen Interessen des Versicherten nichts zu tun haben (dürfen), ist leicht vorstellbar. Dem steht aber das Recht auf freie Anwaltswahl, wie es für Deutschland in § 3 Abs. 3 der Bundesrechtsanwaltsordnung, BRAO, und in § 127 VVG gesetzlich geregelt ist entgegen. In anderen EU Ländern ist es zulässig, u. a. in den Niederlanden, von wo der Fall dem EuGH vorgelegt wurden war, dass die Rechtsschutzversicherer die im Zusammenhang mit dem Rechtsschutzfall erforderlichen Rechtsdienstleistungen selbst durch eigene Mitarbeiter erledigen lassen. Das ist in Deutschland durch das Rechtsdienstleistungsgesetz untersagt. Dennoch ist die vorliegende Entscheidung auch für die Rechtspraxis in Deutschland von Bedeutung, da sie die Grenzen von Eingriffen in das Recht auf freie Wahl eines Rechtsanwaltes weiter klärt. Das Recht auf freie Anwaltswahl und auf Erstattung der Rechtsberatungskosten entsteht nicht erst durch die Entscheidung der Rechtsschutzversicherung, dass der Fall von einem externen Rechtsvertreter und nicht von einem eigenen Mitarbeiter bearbeitet werden soll. So entschied der EuGH am 7. November 2013 in einem Verfahren über ein Vorabentscheidungsersuchen eines niederländischen Gerichts in der Rechtssache C-442/12 "Sneller gegen DAS". Im Ausgangsfall verweigerte die niederländische Tochter der DAS Rechtsschutzversicherung die Erstattung der Kosten für einen von Herrn Sneller gewählten Anwalt. Der Rechtsschutzversicherer verwies darauf, dass der Fall von einem eigenen Mitarbeiter des Rechtsschutzversicherers hätte bearbeitet werden können. Dem setzte der Kläger in dem Rechtsstreit die Berufung auf sein Verfahrensgrundrecht auf freie Anwaltswahl gemäß Art. 4 Abs. 1 der Rechtsschutzversicherungsrichtlinie 87/344 EWG entgegen. Der EuGH hat die Position des Klägers bestätigt. Danach widerspricht es Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie, wenn in Versicherungsbedingungen über eine Rechtsschutzversicherung vereinbart wird, dass die Kosten für einen vom Versicherten frei gewählten Rechtsvertreter nur dann zu erstatten sind, wenn der Versicherer der Ansicht ist, dass die Bearbeitung der Angelegenheit nicht durch einem Mitarbeiter des Versicherers erfolgen kann und deshalb ein externer Rechtsvertreter beauftragt werden muss. Der EuGH baut damit seine gegen die von den Rechtsschutzversicherern offensiv betriebene Einschränkung des Rechts auf freie Anwaltswahl gerichtete Rechtsprechung aus, die mit den Entscheidungen in den Verfahren Eschig gegen Uniqa C-199/08 und Stark gegen DAS C-293/10 eingeleitet wurde.
Versicherungsvertragsgesetz

§ 127 Freie Anwaltswahl
(1) 1Der Versicherungsnehmer ist berechtigt, zu seiner Vertretung in Gerichts- und Verwal-tungsverfahren den Rechtsanwalt, der seine Interessen wahrnehmen soll, aus dem Kreis der Rechtsanwälte, deren Vergütung der Versicherer nach dem Versicherungsvertrag trägt, frei zu wählen.2Dies gilt auch, wenn der Versicherungsnehmer Rechtsschutz für die sonstige Wahrnehmung rechtlicher Interessen in Anspruch nehmen kann.

§ 129 Abweichende Vereinbarungen
Von den §§ 126 bis 128 kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden.
Bundesrechtsanwaltsordnung
§ 3 Recht zur Beratung und Vertretung

(3) Jedermann hat im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften das Recht, sich in Rechtsangelegenheiten aller Art durch einen Rechtsanwalt seiner Wahl beraten und vor Gerichten, Schiedsgerichten oder Behörden vertreten zu lassen.
 
Richtlinie 87/344/EWG