Glossar: Bindungswirkung

Der Begriff Bindungswirkung wird in der juristischen Terminologie vielfältig verwendet. Für das Versicherungsvertragsrecht hat dieser Begriff besondere Bedeutung für die Haftpflichtversicherung.
In der Haftpflichtversicherung wird die Beziehung zwischen dem eintrittspflichtigen Haftpflichtversicherer, dem haftpflichtigen Versicherungsnehmer und dem geschädigten Dritten als Haftungsdreieck bezeichnet.
In diesem gedachten Dreieck wird die Beziehung zwischen dem eintrittspflichtigen Haftpflichtversicherer und dem haftpflichtigen Versicherungsnehmer als Deckungsverhältnis bezeichnet, das Rechtsverhältnis zwischen dem haftpflichtigen Versicherungsnehmer und dem geschädigten Dritten als Haftpflichtverhältnis. Die Lehre vom Trennungsprinzip besagt, dass diese beiden Rechtsverhältnisse jeweils für sich geprüft, die Deckungsfrage und die Haftungsfrage als unabhängig voneinander zu klären sind.
In diesem Haftungsdreieck steht der Begriff der Bindungswirkung in engem, komplementären Zusammenhang mit dem Trennungsprinzip.
Dieser Zusammenhang besteht darin, dass die im Haftpflichturteil getroffenen Feststellungen in Bezug auf die Haftung des haftpflichtigen Versicherungsnehmers für den nachfolgenden Deckungsprozess bindend und daher einer erneuten Überprüfung nicht zugänglich sind. Diese Bindung an das Ergebnis des Haftpflichtprozesses folgt allerdings nicht aus der Rechtskraft des Haftpflichturteils, da diese nur zwischen den Parteien eines Rechtsverhältnisses, inter partes, wirkt. Diese Bindung ergibt sich vielmehr aus dem Leistungsversprechen des Haftpflichtversicherers selbst, wie es in den AHB definiert ist:


Umfang des Versicherungsschutzes (AHB 2012 Musterbedingungen GDV)
1 Gegenstand der Versicherung, Versicherungsfall

1.1 Versicherungsschutz besteht im Rahmen des versicherten Risikos für den Fall, dass der Versicherungsnehmer wegen eines während der Wirksamkeit der Versicherung eingetretenen Schadenereignisses (Versicherungsfall), das einen Personen-, Sach- oder sich daraus ergebenden Vermögensschaden zur Folge hatte, aufgrund

g e s e t z l i c h e r H a f t p f l i c h t b e s t i m m u n g e n
p r i v a t r e c h t l i c h e n I n h a l t s


von einem Dritten auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird.


Die Bindungswirkung bedeutet also, dass in einem Streit zwischen eintrittspflichtigem Versicherer und haftpflichtigem Versicherungsnehmer, der Versicherer nicht einwenden kann, dass das im Haftpflichtprozess ergangene Urteil, mit dem festgestellt wird, dass der haftpflichtige Versicherungsnehmer zu Recht in Anspruch genommen wird, fehlerhaft und der Versicherungsnehmer in Wahrheit gar nicht haftpflichtig sei.

von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Versicherungsrecht Michael Prettl LL.M.

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