Glossar: Überversicherung

Der Begriff der Überversicherung ist in § 74 VVG legaldefiniert. Überversicherung liegt danach vor, wenn die Versicherungssumme den Wert des versicherten Interesses (Versicherungswert) erheblich übersteigt. Welches Interesse versichert ist, ergibt sich wie immer aus dem konkreten Versicherungsvertrag.

Die Norm verfolgt einen zweifachen Zweck. Es soll, zum einen, das subjetive Risiko begrenzt werden, dass darin liegt, dass ein unredlicher Versicherungsnehmer bei Vorliegen einer Überversicherung einen gesteigerten Anreiz zur vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalles haben könnte. Zum andern soll natürlich auch das Gegenteil verhindert werden, dass nämlich durch absichtlich zu hoch bestimmte Versicherungswerte überhöhte Prämien für ein wirtschaftlich nicht begründete Gefahr vereinnahmt werden können.

Liegt Überversicherung vor, können die Parteien des Versicherungsvertrages die Beseitigung der Überversicherung unter verhältnismäßiger Kürzung der Prämie mit sofortiger Wirkung verlangen. Die bis zur Geltendmachung des Beseitigungsverlanges bezahlten Überprämien verbleiben dem Versicherer.

Im Falle der betrügerischen Überversicherung, wenn also der Versicherungsvertrag vom Versicherungsnehmer in der Absicht geschlossen wurde, sich aus der Überversicherung einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, ist der Versicherungsvertrag nichtig (von Anfang an unwirksam). Dennoch verbleibt dem Versicherer die Prämie bis zu dem Zeitpunkt, zu dem er von den den Nichtigkeit begründenden Umständen Kenntnis erlangt.

Der Fall der betrügerischen Überversicherung in dem die Absicht zur Verschaffung eines rechtswidrigen Vermögensvorteiles darauf gerichtet ist dauerhaft überhöhte Prämien zu vereinnahmen, hat der Gesetzgeber nicht geregelt. Insoweit muss es bei den allgemeinen Grundsätzen §§ 134, 812, ggf. 826 BGB verbleiben.

Wann Überversicherung vorliegt, ab welcher Unterschreitung der Versicherungssumme durch den Versicherungswert die Abweichung erheblich ist, ist im Gesetz nicht geregelt. Erheblich soll die Abweichung nur sein, wenn sie dauerhaft und nicht nur vorübergehend ist und die daraus folgende Prämienermäßigung ins Gewicht fällt, bzw. ihre Beseitigung zu einer merklichen Reduzierung der Prämie führt. Als Faustregel wird man eine Abweichung von 10% annehmen dürfen, wobei es aber stets auf die Umstände des Einzelfalls ankommt.

Auf die Erstrisikoversicherung ist § 74 VVG nicht anzuwenden. Auch für Stichtagsversicherungen, bei denen sich die Prämie nicht auf Grund der Vereinbarung einer Versicherungssumme errechnet sondern aus jeweils zum Stichtag gemeldeten Werten (z.B. in der Versicherung von Warenlagern mit wechselnden Beständen) und in der Krankheitskostenversicherung ist § 74 VVG nicht anwendbar.

Der Gegensatz zur Überversicherung ist die Unterversicherung. Hier liegt die Versicherungssumme unter dem Wert des versicherten Interesses. Die Unterversicherung und deren Folgen sind in § 75 VVG geregelt.

Im Zusammenhang mit den Problemen, die sich sowohl aus der Überversicherung als auch aus der Unterversicherung ergeben ist die Frage der Verantwortung für die Bestimmung des richtigen Versicherungwertes von größter Bedeutung.

von Rechtsanwalt Michael Prettl LL.M., Stuttgart, Fachanwalt für Versicherungsrecht

Zurück