• Rechtsgebiet:
  • Versicherungsrecht

Unfall im Straßenverkehr – was ist zu tun?

27.05.2011

Ihr zuständiger Rechtsanwalt

Michael Prettl LL.M.
Fachanwalt für Versicherungsrecht

Rechtsanwalt Michael Prettl Versicherungsrecht
Telefon + 49 (0)7 11 6 07 73 32
E-Mail prettl(at)prettl.de

von Fachanwalt für Versicherungsrecht Michael Prettl LL.M.

Ein Unfall ist passiert. Diese Situation bringt für die Unfallbeteiligten zeitliche, nervliche und rechtliche Schwierigkeiten mit sich, zu deren Lösung im Folgenden einige Hinweise gegeben werden sollen.

Zunächst richtet sich bei Kraftfahrzeugen die Haftung des Fahrers nach § 18, die des Halters nach § 7 StVG. Hierbei handelt es sich um Gefährdungshaftungstatbestände: allein die Tatsache, dass Autofahren eine Gefahr darstellt (so genannte Betriebsgefahr) führt zu einer Haftung, und zwar auch dann, wenn eine Situation vorliegt, in der der Fahrer oder Halter gleichsam „nichts dafür kann“, ihn also kein Verschulden trifft.

Besonders streng ist diese Form der Haftung bei Unfällen von Kraftfahrzeugen mit nicht motorisierten Verkehrsteilnehmern. Hier hilft dem Fahrer nicht, dass auch ein gedachter Idealfahrer in der gleichen Situation den Unfall nicht hätte verhindern können (so genanntes unabwendbares Ereignis). Ein Haftungsausschluss kann hier nur noch durch „höhere Gewalt“ vorliegen. Da ein Ereignis insbesondere nur dann als höhere Gewalt einzuordnen ist, wenn es nach menschlicher Einsicht und Erfahrung unvorhersehbar ist und damit nicht verhindert werden kann, läuft diese Form der Haftungsbefreiung in der Praxis meist leer. Auch der umsichtige Autofahrer wird häufig zumindest die Betriebsgefahr seines Kraftfahrzeugs verantworten müssen.

Die bislang bei der Gefährdungshaftung geltenden Haftungshöchstbeträge sind neuerdings stark angehoben worden – selbst für teure Personenschäden wird also in der Regel in voller Höhe gehaftet.

Bei mehr als einem Unfallbeteiligten stellt sich jedoch regelmäßig die Frage nach dem Mitverschulden des jeweils anderen Beteiligten. Die Beurteilung der Schuldfrage drängt sich meist schon am Unfallort auf. Hier gilt es aus haftungs- und aus versicherungsrechtlicher Sicht häufig begangene Fehler zu vermeiden:

  1. Lassen Sie sich nicht an der Unfallstelle zu voreiligen Äußerungen bezüglich der Schuldfrage hinreissen; gestehen Sie insbesondere nicht am Unfallort Ihre eigene (evtl. nur vermeintliche) Schuld ein. Es gehört zwar seit der VVG-Reform von 2008 nicht mehr den Obliegenheiten des Versicherungsnehmers aus dem Versicherungsvertrag, einen Anspruch ohne Zustimmung des Versicherers nicht ganz oder zum Teil anzuerkennen oder zu befriedigen. Ein Anerkenntnis kann dennoch aus haftungsrechtlicher Sicht zu Nachteilen für den Versicherungsnehmer führen. Von einer vermeintlich unkomplizierten Regulierung des Schadens durch Barzahlung noch am Unfallort ist aus diesem Grund ebenfalls abzuraten.
  2. Sichern Sie so gut wie möglich die Beweise an der Unfallstelle; notieren Sie insbesondere die Auto-Kennzeichen möglicher Unfallzeugen und bitten Sie als Zeugen in Betracht kommende Fußgänger, ihre Kontaktdaten notieren zu lassen. Hilfreich sind Fotos von Unfallstelle und Schaden sowie die Anfertigung eines möglichst detaillierten Unfallprotokolls. Verlassen Sie sich dabei nicht allein auf die möglicherweise hinzugezogenen Polizeibeamten. Deren Aufgabe ist es nicht, die Ansprüche des Geschädigten zivilrechtlich möglichst leicht durchsetzbar zu machen oder den Grad des Mitverschuldens der Beteiligten exakt zu ermitteln.
  3. Nehmen Sie rechtzeitig eine Meldung des Unfalls bei Ihrer Versicherung vor. Gemäß E.1.1 der AKB ist der Versicherungsfall dem Versicherer innerhalb einer Woche schriftlich anzuzeigen. Es genügt dabei, zur Wahrung der Frist Ort, Zeit und die in den Unfall verwickelten Fahrzeuge zu melden. Der genaue Inhalt der Schadensmeldung hat entscheidenden Einfluss auf die Schadensregulierung. Es wird dringend empfohlen, die detaillierte Schadensmeldung nicht ohne Hilfe eines Fachanwalts für Verkehrs- oder Versicherungsrechts vorzunehmen. Melden Sie der Versicherung also lediglich, dass ein Unfall passiert ist, und lassen Sie sich vor Absendung der Schadensmeldung fachanwaltlich beraten. Im Rahmen dieser Beratung können auch die weiteren sich aus dem konkreten Unfall ergebenden Pflichten gegenüber der Versicherung erörtert werden.

Position des Geschädigten

Als bei einem Verkehrsunfall Geschädigter haben Sie eine vom Gesetzgeber kodifizierte und durch die Rechtsprechung konkretisierte relativ starke Rechtsstellung. Die wichtigsten Ihnen gegenüber der gegnerischen Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung zustehenden Positionen sind die Folgenden:

  1. Als Geschädigter haben Sie Anspruch auf Erstattung der Kosten für einen Rechtsbeistand – beauftragen Sie also den Fachanwalt mit der Wahrung Ihrer Interessen gegenüber dem Versicherer.   
  2. Sofern es sich nicht um Bagatellschäden handelt, haben Sie als Geschädigter gegenüber dem 3. Kfz-Haftpflichtversicherer Anspruch auf einen Gutachter Ihrer Wahl zur Feststellung des Schadens am Kraftfahrzeug und zur Sicherung der Beweise.
  3. Sie können Ihr Kraftfahrzeug in jeder Werkstatt Ihrer Wahl reparieren lassen. Sie sind nicht gezwungen, dabei auf besonders günstige Werkstätten zurückzugreifen oder nur solche Werkstätten zu beauftragen, die Ihnen von der gegnerischen Versicherung genannt werden.
  4. Sie haben ein Wahlrecht, ob Sie die Reparatur in der Werkstatt ausführen lassen, ob Sie sie in Eigenregie durchführen wollen oder ganz auf eine Reparatur verzichten. Es besteht also auch die Möglichkeit einer Abrechnung der fiktiven Reparaturkosten auf Gutachtenbasis. Zu beachten ist dabei, dass Mehrwerststeuer nur noch erstattet wird, wenn sie tatsächlich angefallen ist, nicht also bei rein fiktiver Abrechnung. Die fiktiven Reparaturkosten sind durch den Wiederbeschaffungsaufwand (Wiederbeschaffungswert minus Restwert) begrenzt.
  5. Übersteigen die Kosten der Reparatur den Wiederbeschaffungswert, so wird ein so genannter Integritätszuschlag von 30% über dem Wiederbeschaffungswert (ohne Abzug des Restwertes) bezahlt.
  6. Neben den Reparaturkosten sind auch die Kosten für den Ausfall des beschädigten Autos zu erstatten. In Betracht kommt die Zahlung einer Nutzungsausfallentschädigung, deren Höhe sich tabellarisch festgelegt nach dem Fahrzeugtyp richtet. Der Geschädigte kann sich stattdessen auch einen Mietwagen für die Zeit des Ausfalls nehmen. Dabei ist allerdings zu beachten, dass es zum Thema Mietwagen eine umfangreiche und nicht vollständig einheitliche Rechtsprechung gibt – Stichworte Mindestnutzung, ersparte Betriebskosten, Ersatzwagentarif. Der Fachanwalt für Verkehrs- oder Versicherungsrecht kann Sie entsprechend beraten.
  7. Kommt es bei einem Unfall unglücklicherweise auch zu Personenschäden, übernimmt in der Regel die Krankenkasse oder Krankenversicherung des Geschädigten die Heilbehandlungskosten. Der Regress bei der Haftpflichtversicherung des Unfallgegners erfolgt über so genannte Schadenteilungsabkommen. Daneben kommt, je nach Einzelfall, die Zahlung von Schmerzensgeld in Betracht. Gerne übersehen wird, dass neben der Erstattung von Erwerbsschäden und Verdienstausfall auch der Haushaltsführungsschaden gelten gemacht werden kann. Voraussetzung dafür ist, dass die verletzte Person im Rahmen Ihrer familienrechtlichen Unterhaltspflicht zur Haushaltsführung verpflichtet ist. Dies ist regelmäßig im Rahmen der Ehe oder der eingetragenen Lebenspartnerschaft der Fall; bei der nichtehelichen und nicht eingetragenen Lebensgemeinschaft nur dann, wenn solche Pflichten vertraglich geregelt worden sind. Aber auch bei Single-Haushalten kann unter Umständen ein Haushaltsführungsschaden unter dem Gesichtspunkt der vermehrten Bedürfnisse zu erstatten sein. Nach den für die Berechnung des Haushaltsführungsschadens existierenden Berechnungstabellen handelt es sich dabei häufig um keinesfalls zu vernachlässigende Beträge. Wenden Sie sich deswegen an einen qualifizierten Fachanwalt.

Unfall und Kaskoversicherung

Neben der Haftpflichtversicherung können bei einem Verkehrsunfall weitere Versicherungen des Autofahrers betroffen sein. Neben der immer abzuschließenden Kfz-Haftpflichtversicherung ist dies vor allem die Kaskoversicherung, die als Teil- oder als Vollkaskoversicherung abgeschlossen werden kann. Die Vollkaskoversicherung ist bei einem Unfall besonders wertvoll, denn sie deckt auch die Schäden, die am Fahrzeug des Unfallverursachers entstanden sind. Der Versicherungsnehmer muss hier jedoch besonders sorgfältig seine Obliegenheiten gegenüber dem Versicherer beachten, ansonsten droht die Gefahr, auf dem Schaden ohne Versicherungsdeckung sitzen zu bleiben. Nach der Rechtslage bis Ende 2007 ist der Versicherer im Regelfall von der Leistung frei, wenn der Versicherungsnehmer den Unfall durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt hat. Dies hat zu einer umfangreichen Rechtsprechung geführt, in welchen Fällen grobe Fahrlässigkeit anzunehmen ist und in welchen nur einfache Fahrlässigkeit mit der Konsequenz, dass Leistungsfreiheit des Versicherers nicht eintritt. Zur Vermeidung dieser problematischen Abgrenzung gab und gibt es Versicherungsverträge, die auf die Leistungsfreiheit bei grober Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers weitgehend verzichten.

Nach dem neuen Versicherungsvertragsgesetz (VVG) vom 01.01.2008 gilt nicht mehr das Alles-oder-Nichts-Prinzip, das heißt, dass auch die Vollkaskoversicherung Schäden in einer dem Grad des Verschuldens des Versicherungsnehmers angepassten Höhe decken wird. Dadurch wird die starre Grenze zwischen einfacher und grober Fahrlässigkeit aufgeweicht – mit der negativen Folge, dass auch bei einfacher Fahrlässigkeit Streit zwischen geschädigtem Versicherungsnehmer und dem Versicherer über die Höhe der Versicherungsleistung vorprogrammiert ist. Gerade so lange dazu wenig konkretisierende Rechtsprechung besteht, ist dringend zur rechtzeitigen Einschaltung eines Fachanwalts für Versicherungsrechts zu raten.

Optimierung des Versicherungsschutzes

Häufig wird zusätzlich zu einer Kfz-Haftpflichtversicherung auch eine Insassen-Unfallversicherung mitverkauft. Zu Recht kann man inzwischen bei jedem Verbraucherschutzverband lesen, dass die Insassen-Unfallversicherung nahezu überflüssig ist. Zum einen sind ihre Deckungssummen relativ niedrig im Vergleich zu den möglichen Personenschäden, die bei einem Unfall entstehen können. Zum anderen hat die Insassen-Unfallversicherung nahezu keinen denkbaren Anwendungsbereich: Geschädigte Mitfahrer haben einen Anspruch gegen die Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers. Dies gilt auch dann, wenn der Fahrer des Autos, in dem die Insassen unentgeltlich befördert wurden, selbst den Unfall verursacht hat – auch gegenüber dessen Haftpflichtversicherung besteht ein Direktanspruch. Lediglich bei einem Unfall, der durch höhere Gewalt oder etwa durch einen Fußgänger ohne Privathaftpflichtversicherung verursacht wurde, kann die Insassen-Unfallversicherung sinnvoll sein. Wie wenig wahrscheinlich allerdings ein solcher Unfallvorgang ist, mag jeder Versicherungsnehmer selbst beurteilen.

Einige Versicherer bieten vergünstigten Kasko-Schutz an, wenn sich der Versicherungsnehmer verpflichtet, sein Auto im Schadensfall nur bei Vertragwerkstätten des Versicherers reparieren zu lassen. Diese Art des integrativen Schadensmanagements der Versicherer kann sehr bequem sein – oft wird das Auto abgeholt, ein Ersatzwagen wird gestellt, und das Auto kommt repariert zurück. Oft findet sich jedoch in den Versicherungsbedingungen solcher Verträge einen im Vergleich zu herkömmlichen Policen deutlich eingeschränkter Versicherungsschutz. Dem Versicherungsnehmer wird zugleich die Möglichkeit genommen, das Auto in der Werkstatt seines Vertrauens reparieren zu lassen. Nicht immer ist der günstigere Versicherungsschutz auch der beste – umgekehrt muss der teuerste ebenfalls nicht der beste Versicherungsschutz sein. Zu den Details der Versicherungsbedingungen empfiehlt sich im Zweifel fachanwaltliche Beratung schon bei Abschluss des Versicherungsvertrages.