Glossar: Schadensminderungsobliegenheit

Grundsätze zur Schadensminderungsobliegenheit in der Feuerversicherung, Leitungswasserversicherung, Sturmversicherung, Einbruchdiebstahl- und Raubversicherung (gewerbliche- bzw. industrielle Sachversicherung von Betriebseinrichtung, Vorräten und Gebäuden § 82 VVG AFB 87, AFB 2010, AWB 87, AWB 2010; AStB 87, AStB 2010, ECB 87, ECB 2010; LZB 87, ABL 2010, AHagB2010, All-Risks-Versicherungsbedingungen)

Beginn der Schadensminderungsobliegenheit

Wie immer im Versicherungsvertragsrecht bestimmen sich Beginn, Inhalt und Umfang einer Obliegenheit primär nach den im Versicherungsvertrag konkret getroffenen Vereinbarungen.
Die Schadensminderungsobliegenheit beginnt danach i. d. R. , bei Eintritt des Versicherungsfalls, also wenn die Beschädigung der Substanz der versicherten Sachen beginnt. Dagegen sind Rettungskosten aus § 83 VVG bereits dann zu erstatten, wenn die Beschädigung der Sachsubstanz unmittelbar bevorsteht oder droht, also nur durch sofortiges Eingreifen ab-zuwenden ist und deswegen Aufwendungen entstanden sind.

Inhalt der Schadensminderungsobliegenheit

Der Versicherungsnehmer hat alles zu tun, um den Eintritt eines unmittelbar drohenden Schadens (also Beeinträchtigung der Sachsubstanz der versicherten Sachen) abzuwenden und die Auswirkungen des bereits eingetretenen Schadens (auf die Substanz der versicherten, vom Schaden betroffenen Sachen) so gering wie möglich zu halten.

Dazu gehören beispielsweise in der Feuerversicherung:
- Beteiligung an Löschmaßnahmen;
- Abbruch und Ausräumung vom Brand betroffener Gebäude und Gebäudeteile;
- Niederreißen vom Brand bedrohter Gebäude und Gebäudeteile von denen ein Schadenfeuer auf andere Gebäude und Betriebsteile übergreifen kann  (Feuerschneise);
- gebotene Reinigungsmaßnahmen am Schadensort;
- Trocknung durch Löschwasser durchnässter versicherten Sachen;
- korrosionsgeschützte Verwahrung vom Feuer und Löschwasser nicht betroffener Sachen;
- Einleitung beweissichernder Maßnahmen um dadurch einen Regress des Versicherers gegen den Schadensverursacher zu ermöglichen.

Die Schadensminderungsobliegenheit betrifft nur den Schaden am versicherten Interesse, also an den versicherten Sachen und hat deshalb mit einer Schadensminderungspflicht im Hinblick auf den Entschädigungsanspruch gegen den Versicherer und dessen Höhe nichts zu tun. Das bedeutet, dass der Schaden den der Versicherungsnehmer abzuwenden oder zu mindern hat, nicht der des Versicherers ist, sondern der an den versicherten Gütern oder Interessen. Eine Obliegenheit oder gar eine Vertragspflicht des Versicherungsnehmers nach Möglichkeit auch den Umfang der Entschädigung, also das Ausmaß der Belastung des Versicherers auf andere Weise, als durch Minderung des Schadens zu mindern besteht nach § 82 VVG nicht, § 254 BGB ist insoweit nicht anwendbar, in den gängigen Bedingungswerken ist eine solche Schadensminderungspflicht nicht vorgesehen. Eine Grenze kann sich aus Treu und Glauben ergeben.

Es geht hier also bei der Schadensminderungsobliegenheit gerade nicht darum, die Entschädigungsleistung des Versicherers so gering als möglich zu halten. Diese bestimmt sich nämlich einzig und allein nach dem (Versicherungs-)Wert der beschädigten, versicherten Sache sowie dem Grad der Beschädigung dieser Sache (Teilschäden/Totalschaden) und den vertraglich getroffenen Vereinbarungen zur Entschädigungsberechnung. Eine Obliegenheit oder Pflicht zur Geringhaltung der Entschädigungsleistung des Versicherers in der Sachversicherung ist weder dem VVG noch den üblicherweise in der gewerblichen und industriellen Feuerversicherung, bzw. Sachversicherung vereinbarten Versicherungsbedingungen (AFB 87, AFB 2010) zu entnehmen, insbesondere nicht dem Katalog der gem. § 13 AFB 87, bzw. Abschnitt B § 8 Nr. 2 a) aa) –dd) AFB 2010 bei Eintritt des Versicherungsfalles zu beachtenden Obliegenheiten.

Der Versicherer hat immer den nach den geltenden vertraglichen Vereinbarungen zu ermittelnden Schaden zu ersetzen. Dabei hat er die für die Wiederbeschaffung von Sachen gleicher Art und Güte aufzuwendenden Mittel bereit zu stellen, bei der Neuwertversicherung also den Anschaffungspreis für neue, gleichwertige Sachen von den Bezugsquellen, von denen der Geschädigte auch sonst zu beschaffen pflegt, bei der Versicherung zum Zeitwert eben für gleichwertige gebrauchte Sachen. Für Reparaturkosten gilt grundsätzlich das gleiche.
Dass der Versicherer nicht haftet für Mehrkosten durch auch nur leicht fahrlässige Verzögerung der Wiederherstellung oder zu teurer Wiederherstellung oder Wiederbeschaffung ergibt sich nicht aus dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht oder Schadensminderungsobliegenheit sondern aus den Klauseln über die Entschädigungsberechnung (z. B.
§ 11 Nr. 1 AFB 87, oder Abschnitt A § 8 AFB 2010) insbesondere daraus, dass die Entschädigung dem Versicherungswert unmittelbar vor Eintritt des Versicherungsfalles entspricht.

Ende der Schadensminderungsobliegenheit

Schadensminderungsobliegenheit endet dann, wenn alle Vorkehrungen getroffen sind, um eine weitere nachteilige Einwirkung des Brandes und seiner Folgen (z. B. Löschwasser, Zerstörung der Bedachung) auf die versicherten Sachen mit zumutbarem Aufwand auszuschließen.

Schadensminderungspflicht und Sachverständigenverfahren


Diese Grundsätze werden in der gängigen Regulierungspraxis häufig nicht beachtet. Insbesondere unter Sachverständigen, die oft von Versicherern im Zusammenhang mit der Regulierung von Großschäden im Rahmen eines vereinbarten Sachverständigenverfahrens eingesetzt oder dem geschädigten Versicherungsnehmer als besonders geeignet benannt werden, bestehen Regulierungskonventionen, die keine Rücksicht auf diese Rechtslage nehmen.
Besonders hoch ist die Gefahr einer für den Versicherungsnehmer nachteiligen Regulierung dann, wenn, wie häufig im Rahmen des Sachverständigenverfahrens der geschädigte Versicherungsnehmer der Erstellung eines gemeinsamen Gutachtens durch die Sachverständigen zustimmt.

Das Ergebnis einer solchen Verfahrensweise ist dann ein einziges, übereinstimmendes gemeinsames Gutachten der beteiligten Sachverständigen, aus dem nichteimal im Ansatz die Anwendung dieser Rechtsgrundsätze entgegenstehender, versichererfreundlicher Regulierungskonventionen der beteiligten Sachverständigen erkennbar wird.

Dabei können sich in der Großschadensregulierung, allein im Bereich der Schadensminderungsobliegenheit und des Anspruchs auf Erstattung von Schadensminderungsaufwand und Rettungskosten, erhebliche Diskrepanzen ergeben, zwischen dem nach Vertrag begründeten Anspruch auf Versicherungsleistung und der im gemeinsamen Sachverständigengutachten berechneten und vom Versicherer dann tatsächlich geleisteten Entschädigung.

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